Vor einigen Wochen rief Günther an, ein alter Bekannter, der hin-und wieder mit mir Segelgespräche, speziell über Boote führt. Wir waren uns nie über den Weg gelaufen, er segelt in der Lübecker Bucht, ich mehr in Kiel/Flensburg. Dazwischen liegen "Welten", (Fehmarn) und meist auf einem Weg stramme 45sm gegenan. So segelt jeder in seinem eigenen Revier. Günther war mir als Eigner einer J130 bekannt, ein großes, komfortables und sehr schnelles Schiff. Damit hatte er schon den Osten bereist, all die Städte, wo ich auch gerne einmal hinsegeln möchte. Diesmal kam der Anruf sehr überraschend. "Du hast noch doch Deine Bull?". "mmmh, ja, wieso?". So kamen wir in´s Gespräch. G. & seine Freunde hatten zwischenzeitlich ihre J130 "Adrenalina" vekauft und sich ein kleineres Schiff angeschafft. Ein so genanntes Sportboot, eine 8mOD. Dieses Ding aus Ungarn. Sieht aus wie ne verkleinerte VO60. Auch mit Toppspinnaker. Schnell. Er berichtete noch von anderen Bekannten, die ebenfalls ein Sportboot (Sportsboat) segeln würden, z.B. Andreas mit der Hunter707, dazu ein T750 aus Kiel "Yellow Drama", und eine POGO. Man wolle sich Anfang August in Haesnes, DK treffen. Zum grillen, schnacken und mal einen Schlag segeln. Tolle Idee. Ich war Feuer und Flamme, führe ich meine Bull doch sonst nur auf Regatten aus. Und diesen Teil Dänemarks hatte ich noch nicht mit dem Boot bereist.
Das besagte WE kam näher, die Vorfreude auf ne nette Tour stieg. Vorher noch schnell mit Regattatrimm, aber mäßigem Erfolg in der Travemünder Woche in der Sportboot Klasse gesegelt und dann das Boot für die Tour umgerüstet: Kocher, Gas, Motor, Sprit, Kojen mit Bettzeug, Kühlbox etc. 3 Abende war ich dabei, kleine Ausbesserungen eingeschlossen.
Donnerstag abend, am 3.8. traf ich mich mit Kerstin in Kühlungsborn. Es war schon dunkel. Im Hintergrund lief das Open Air Strandkino, die nach außen gerichteten Scheinwerfer spendeten uns Licht zum aufriggen. Das klappte prima auf dem Trailer und wir slippten das Boot gegen 23.00h, was ganz einfach ging. Noch schnell an einen netten Liegeplatz verholt in der sehr großzügig angelegten Marina, ein paar Sachen an Bord gebracht und Nachtruhe. Morgens wurden wir von Stimmen geweckt. Man sprach von 6-7 Bft und Gewitterböen. Die am Steg laut palavernden Skipper wollten lieber einen Hafentag einlegen. Das machte unsicher. Erstmal Frühstück an Bord. Gemütlich in der Bull und dann ein Blick nach Norden. Ganz ruhig lag sie da, die Ostsee. Kein Hauch. Kaum Wolken am Himmel. ??? Nachdem Autos und Trailer umgeparkt und auch sonst alles erledigt war, ein erneuter Blick aus höherer Warte und es zeigte sich erster Wind auf der See. 10.30h. Sofort auslaufen. 43sm gegenan, da hätte man wohl noch früher lossegeln müssen. Draussen auf der Ostsee hatten wir einen schönen Wind. Volle Besegelung, aber leider kam der Wind von vorne. Wir nutzten jeden Linksdreher zu einem kleinen Holschlag auf Steuerbordbug, tendenziell drehte es allerdings nach rechts. Nicht ungünstig für uns und am Ende wurde es ein langes Bein, ein Anlieger und wir erreichten um ca. 21.00h, nach etwas Verwirrung durch die vielen, weit draussen liegenden Stellnetze, den Hafen von Haesnes. Günther stand an der Pier mit der Videokamera. Man wollte gerade am Strand die frischen Heringe grillen. Aufklaren und dazugesellen. Alles unbekannte Gesichter, neue Leute. Man beäugte sich erstmal. Wir wußten garnichts, kannten doch niemanden und uns hatte man natürlich schon unter segeln einlaufen sehen. Es war eine sehr nette Clique. Vermissen taten wir natürlich die anderen "Sportboote", Wo waren POGO, T750 und Hunter? Sie hatten es irgendwie nicht geschafft. Von den Wetteraussichten, an denen wieder überhaupt nichts stimmte, abgeschreckt oder einfach zu weit? Wir werden es wohl erst später erfahren. (Wir hatten für eine Stunde ein Reff einlegen müssen, was aber bei nur 2 Leutchen auf der hohen Kante schon früh notwendig ist).
Der Hafen und der Ort stellten sich als urgemütlich dar. Keine Marina im üblichen Sinne, trotzdem ein gut sortierter Fischladen und ein Kaufmann der an 7 Tagen in der Woche geöffnet hat. Ein Ort zum verweilen. Wir hatten noch den Samstag der viel zu schnell verflog. Abends wieder Heringe und Dorsch vom Grill: mmmh, und nicht zu spät in die Koje, denn es sollte um 08.00h gestartet werden. Mit uns die 8mOD und eine ältere "Rubin", nämlich die "Rubin IX" Ein Schiff aus der IOR Ära. Windansage: 5-6 aus Nordnordost. Also günstig. Die anderen Segler aus der Gruppe hatten noch das Glück zu bleiben.
Wie es so ist, die Leinen kamen erst gegen 10.00h los und draußen hatte sich schon eine ordentliche Welle aufgebaut. Hoch am Wind freisegeln von den Stellnetzen. Dabei vertrauten wir den "Ortskenntnissen" von Günther und Frank auf der 8mOD, was aber nicht gut war. Wir schrabbelten über ein flaches Stück mit 2,1m Kartentiefe und fielen erst spät auf Südkurs ab. Beim Gennakersetzen ein kleines Problem mit dem Baum, was noch nie aufgetreten war. Kerstin turnte vorne herum und brachte alles in Ordnung und hoch ging die Pocke. 60qm und rot. Nicht zu übersehen. Die Beschleunigung war grandios. Beinahe dauerhaft 10-11kn im GPS und hin-und wieder 12 und auch mal über 13kn. Wobei ich das bei der inzwischen über 2m hohen Welle ziemlich aufregend fand. Es ist der Speed, bei dem man die Welle überholt und in die nächste hineinsticht. Was auch 2 mal passierte und wir begruben das Deck komplett unter einer Welle. Nach 25sm aufregender Gleitfahrt, sauber navigiert durch die zwei Untiefen am Gedser Rev, liefen wir auf den Großschiffahrts-Zwangsweg auf. Hier querten Frachter, Tanker und eine Fähre nach der anderen. Wir peilten einen riesigen Tanker an, an dessen Heck wir queren wollten. Leider nahm der Wind dramatisch zu und mir verblieb bloß das abfallen mit dem Gennaker, um nicht umzufallen. Jetzt segelten wir parallel zu dem Teil und fast genauso schnell. Sollten wir den Tanker, den "Levithian" aufspießen? Jagen, so wie in dem spannenden Buch "Shipkiller" von Justin Scott? Ich glaube, er hätte uns nicht einmal bemerkt. Der 2m Carbon-Bugsprit wäre einfach abgeknickt, das 7,5m lange Bootchen unter die Bordwand gedrückt und hinten am Heck, im grausigen Schraubenwasser wäre vielleicht noch die Kühlbox aufgetaucht. Also besser nicht. Anluven, Gennaker und Grossegel killen lassen, immer Fahrt im Schiff behalten und abwarten. Nach bangen 3-4 Minuten (immer mit respektvollem Sicherheitsabstand) konnten wir wieder die Schoten anziehen und dann sprangen wir förmlich über die hoch steigenden Heckseen des Tankers, die gegen die Ostseewellen gegenan liefen. Wie eine "Fettblase" blieben wir oben. Und das mit 12kn Fahrt. Ein irres Erlebnis auf einem kleinen Kielboot. Der Wind hatte nicht nachgelassen. Bestimmt 5 1/2 Bft, der Norddeutschte neigt NICHT zur Übertreibung, allerdings kein Windmessgerät. Ne halbe Stunde nach diesem Erlebnis waren wir so fertig, daß wir den Gennaker runter nehmen mussten. Natürlich in Luv und es klappte gut. Endlich Pinkelpause, essen und trinken. Das war vorher einfach nicht möglich bei den Wellenritten. Immerhin hatten wir einige Boote überholt, die entweder nur ein gerefftes Vorsegel oder nur mit verkleinertem Groß auf unserem Kurs gen MacPom Küste liefen. Hoffentlich hat uns jemand fotografiert. Wir hatten keine Zeit gehabt dafür. Erst jetzt und da machte ich den Schnappschuß von Kerstin an der Pinne. Leider bekam ich keine dieser richtig hohen Wellen auf das Bild. Kerstin die Jollenseglerin surfte ständig diese Wellen runter und die Berge verschwanden einfach.Nur mit Groß und Fock liefen wir auf Kühlungsborn zu, wo man vor lauter hoch auflaufenden Wellen (auflandig) kaum die Hafeneinfahrt sah. Ich war etwas nervös. Keine Ansteuerungs-tonne. Die Brandung brüllte. Eine Halse war noch notwendig. Hierbei neigt die Bull zum "broachen", wenn man nicht in Fahrt bleibt. Also auf eine Welle drauf gesetzt, gehalst und mit 9kn in die schmale Hafeneinfahrt rein gerast. Zum Glück hatte uns eine unter Motor schwer rollende Segelyacht das Vorrecht beim einlaufen gelassen. Danke schön! Jede Menge Zuschauer im Hafen. Bei dem Wind wurde ja auch etwas geboten. Wir segelten nach einem Bogen im Hafen einen eleganten Aufschießer, genau an die gut gepolsterte Tankstellenanlage in Luv, Segel runter und anbinden und die Seefahrt war beendet. Leider stoppten wir jetzt nicht die Zeit. Wir legten gleich den Mast, slippten das Boot und schauten erst um viertel nach fünf auf die Uhr. Ein unglaublich schönes und auch aufregendes Wochenende als Trailer-Sailor war erfolgreich zu Ende gegangen. Neue Leute, neue Orte, neue Erfahrungen. Segeln kann auch ohne Regatta schön sein.
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